Francesco Cilluffo
Wann wurden Sie zum ersten Mal in Ihrem Leben durch (Musik)Theater verzaubert? Und wodurch?
Ich stamme eigentlich nicht aus einer musikalischen Familie, aber ich war fünf Jahre alt, als ich meinen Vater eine Aufnahme von Verdis Aida spielen hörte. Ich fühlte eine so starke Verbindung zu dieser Klangwelt und dieser magischen Geschichte, dass ich auf der Stelle beschloss, Operndirigent zu werden. Später, als ich ungefähr sechs Jahre alt war, bat ich meine Eltern zu meinem Geburtstag um eine Eintrittskarte für die Oper, um Mozarts Don Giovanni sehen zu können. Ich glaube, spätestens an diesem Punkt war ich für immer gefangen.
Warum singen die Leute und warum sprechen sie nicht?
Ich denke, das liegt daran, dass die Leute, wenn sie ein Wort sagen, nur ein Wort sagen. Wenn sie aber ein Wort singen, verbinden sie uns tatsächlich mit der unendlichen Möglichkeit der Bedeutung dieses Wortes – und das, ohne auch nur ein Wörterbuch zu öffnen! Das ist der geheimnisvolle Zauber des Singens: Ein Wort wird zu einer Welt.
Welche Rolle kann/soll Musiktheater in der heutigen Gesellschaft einnehmen?
Ich glaube, dass das Musiktheater eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft spielen sollte. Die ethische Aufgabe eines Theaters ist es einerseits, zu unterhalten, indem es lehrt, und andererseits zu lehren, indem es unterhält. Es ist eine sehr schwierige Aufgabe, das Gleichgewicht zwischen diesen beiden Elementen aufrechtzuerhalten. Wenn wir aber an das antike griechische Theater, das elisabethanische Theater und die Oper des 19. Jahrhunderts in Paris, Wien und Mailand denken, dann werden die besten Werke produziert. Wenn die Gesellschaft sich als Teil des kreativen Prozesses fühlt, verlangt sie nach mehr Werken und Geschichten – es ist wie ein Tugendkreis. Es ist die Pflicht der Institutionen, eine Vision zu haben, in der das Musiktheater heute als ebenso relevant und modern wahrgenommen werden kann, wie in der Vergangenheit. Ich glaube fest daran, dass die Menschen immer noch hungrig danach sind, trotz der unendlichen Möglichkeiten der Heimunterhaltung, die uns die Technologie heutzutage bietet.
Geboren in
Turin, Italien
Ausbildung
Studium der Komposition und des Dirigierens am Konservatorium „Giuseppe Verdi“
Studium der Musikwissenschaft (cum laude) an der Universität Turin mit einer Arbeit über Benjamin Britten
Master in Komposition an der Guildhall School of Music and Drama in London
PhD in Komposition am King’s College in London
Fünf bis zehn wichtige Engagements
Dirigieren: Cilea’s Gloria für die Eröffnung der Saison 2023 am Teatro Lirico in Cagliari, La traviata an der Opéra Royal de Wallonie in Liège, Il Campiello von Wolf-Ferrari am Teatro del Maggio Musicale in Florenz, Der König Kandaules am Teatro Massimo in Palermo, Nabucco an der Kiel Opera, Roméo et Juliette, Rigoletto, L’Elisir d’amore und Madama Butterfly an der New Israeli Opera in Tel Aviv, Tosca an der Tulsa Opera (USA), Verdi’s Requiem mit dem Bournemouth Symphony Orchestra, Italienische Premiere von John Adams Absolute Jest (Orchester La Toscanini) in Parma
Komposition: Il caso Mortara (im Auftrag von Tobias Picker), Edward II, The Land to Life again (UCLA), Il Barone Rampante (nach Calvino) mit dem Orchester Nazionale della RAI
Prägende Zusammenarbeit mit folgenden Künstler:innen
Tobias Picker, George Benjamin, John Mauceri, Lothar Zagrosek, John Eliot Gardiner, Asher Fisch
Debüt und wichtige Arbeiten an der Volksoper
Le nozze di Figaro (Debüt – Saison 2022/23)
Ein Deutsches Requiem (Saison 2022/23)
Bedeutende Preise & Ehrungen
2019: „Coductor of the Year“ für die UK Opern-Saison, Opernwelt
2016: Critic’s Choice von Opera News 2016 für die Aufnahme von Marco Tutinos Le Braci
2007: 2. Preis Fux International Competition Prize in Graz
Stipendium für Komposition und Dirigieren an der Guildhall School of Music and Drama in London
Website
https://www.francescocilluffo.com/
* Verwendung der Fotografie (© RibaltaLuce Studio) nur für Zwecke der aktuellen Berichterstattung über die Volksoper Wien