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Franz-Erdmann Meyer-Herder

Was war dein musikalisches „Erweckungserlebnis“? 

Alleine zu Hause wahrscheinlich jenes Youtube-Video von Diana Damrau als Königin der Nacht. Da ging es um Vokalartistik und ich war mit 17 Jahren vollkommen hin und weg. Dann kam 2012 ein Besuch von Benedikt von Peters La traviata-Inszenierung an der Staatsoper Hannover, die mich fast aus den Latschen kippen ließ, weil ich nicht fassen konnte, dass sich Musiktheater auf einer quasi leeren Bühne mit einer grandiosen Darstellerin wie Nicole Chevalier so packend inszenieren lässt. Ich bekam Herzrasen, schwitzende Hände, ich konnte nicht aufhören, über diesen Abend zu reden (und habe ihn mir noch zwei weitere Male angesehen). Da war klar: Das ist die Kunstform, in der ich meine Talente einbringen will. 

Was könnte/sollte die Rolle von Musiktheater in der heutigen Gesellschaft sein? 

Ungefiltertes Erleben von Musik und Gesang – die totale Verausgabung, die das Singen mit sich bringen kann – gibt einen verdammt unmittelbaren Zugang zu den verhandelten Themen. Wenn es gut läuft, dann denkt man im Musiktheater mit dem Herzen und fühlt mit dem Kopf. Langweilig wird es, wenn die Musik im Bild nicht vorkommt: Wenn wir unserem Publikum etwas vorkauen, ihm nur Dinge vorsetzen, die es richtig entschlüsseln soll. Das Theater ist einer der letzten Orte, wo wir noch eine gewisse Erfahrung von Öffentlichkeit machen. Mehrere hundert Menschen um uns herum schauen gerade auf und hören das Gleiche. Ob sie auch das Gleiche erkennen und fühlen, lässt sich nur im Gespräch herausfinden. Und dazu sollte das Musiktheater anstiften: indem es irritiert, berührt, verstört, verzaubert. 

Gibt es einen Moment oder eine Phase, die du im gesamten Produktionsprozess (vom Erlernen einer Rolle bis zur Aufführung) am meisten magst? 

Es gibt manchmal diese magischen Momente (meistens in den letzten Tagen vor der Premiere), in denen du merkst, dass es Klick! macht, dass der Funke überspringt: Spieler:innen finden einen entscheidenden Punkt, wo sie zu einer Darstellung finden, die elektrisiert und in mir unmittelbare Reaktionen hervorrufen. Wenn ich plötzlich etwas entdecke, was nicht planbar ist, dann sitze ich auf der Stuhlkante und ich könnte ausrasten.

***

Geboren in

Lüneburg (Deutschland)

Ausbildung

Studium der Kulturwissenschaften (B.A.) an der Leuphana Universität Lüneburg, Dramaturgie (M.A.) an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg 

Wichtige Engagements

Regieassistenz am Theater Bremen in der Schauspielsparte mit eigenen Arbeiten wie Orlando nach Virginia Woolf und die Drag-Theatertelenovela ¡Escándalo!. Seit 2018 das Engagement in der Dramaturgie der Staatsoper Stuttgart (Mitentwicklung großer Produktionen aber auch von Extraformaten in der Stadt). 

Debüt und wichtige Arbeiten an der Volksoper Wien

Debüt mit Die Dreigroschenoper 

Prägende Zusammenarbeit mit diesen Künstler:innen

Felix Rothenhäusler (gemeinsame Arbeit an Jules Massenets Werther an der Staatsoper Stuttgart), Alize Zandwijk und Maurice Lenhard (gemeinsame Entwicklung der mobilen Inszenierung von Igor Strawinskys Die Geschichte vom Soldaten an der Staatsoper Stuttgart während der pandemiebedingten Schließungen der Theater 2020); interdisziplinäres Arbeiten mit Künstler:innen wie dem Maler Norbert Bisky 

Bedeutende Preise & Ehrungen

Nominierung der Inszenierung Die Geschichte vom Soldaten (Staatsoper Stuttgart) für den Sonderpreis des Opus Klassik 2020 in der Kategorie „Herausragende künstlerische Leistung während der Corona-Pandemie” 

Sonstiges

Besonderes Interesse an der Vernetzung mit queeren Szenen, Themen und Akteur:innen und Austausch mit der freien Kunst- und Theaterszene. Seit 2022 außerdem tätig als Gastdozent im Bereich Dramaturgie der HfMT Hamburg.