„Das gewisse Etwas, mit dem man einen ganzen Saal zum Lachen bringt!“
Am 27. März 2024 feiert Ein bisschen trallalala Premiere an der Volksoper – Ein Hommage an Fritzi Massary und Max Pallenberg mit Ruth Brauer-Kvam und Robert Palfrader. Wir haben Dirigenten Adam Benzwi zum Interview gebeten und ihn gefragt was das Publikum erwarten wird.
Das Gespräch führte Dramaturg Jürgen Bauer
JB: Fritzi Massary und Max Pallenberg sind in Berlin bekannter als in Wien. Wie ist es für dich, ein Stück über die beiden hier in Wien zu machen und sie somit in ihre Geburtsstadt zurückzubringen?
AB: Eine Erfüllung! Es war ein lang gehegter Wunsch, die beiden hier in Wien wiederaufleben zu lassen. In der Musik und den Texten steckt so viel Wienerisches, und Robert Palfrader ist ein wahrer Wiener Sprachkünstler. Es gibt Worte im Text, bei denen dachte ich immer, sie seien altmodisch, aber in den Proben mit ihm wird mir klar: Nein, die sind einfach urwienerisch!
JB: Wenn man Berichte über Fritzi Massary liest, dann hieß es immer, sie können eigentlich nicht besonders gut singen. Und trotzdem lag ihr das Publikum zu Füßen. Warum?
AB: Tja, wie soll man das beschreiben, dieses gewisse Etwas, mit dem man einen ganzen Saal zum Lachen bringt, zum Weinen? Ich war fünfunddreißig Jahre lang am Studiengang Musical der UDK Berlin. Und was ich da gesucht habe, das waren nicht die perfekten Darsteller:innen, es waren Menschen, die mich auf irgendeine Art und Weise berührten. Und ich glaube, mit dieser Gabe, die Menschen zu berühren, war Fritzi Massary reich beschenkt.
JB: Was darf sich das Publikum von der Musikauswahl in Ein bisschen trallalala erwarten?
AB: Es sind alles Stücke, die Fritzi Massary und Max Pallenberg selbst gesungen haben. Songs aus einer Wienerischen Tradition, die aber auch etwas sehr Berlinerisches haben. Einerseits der Geist und die Eleganz des bürgerlichen Wiens, andererseits ein Mut, etwas Neues, das eher aus Berlin kommt. Die Songs, die wir ausgewählt haben, zeigen diese Mischung.
JB: Warum sind Ruth Brauer-Kvam und Robert Palfrader die Idealbesetzungen für Fritzi Massary und Max Pallenberg, für deren spezifische Art zu musizieren und zu singen?
AB: Nehmen wir Robert Palfrader. Der ist ein wahrer Wortfetischist! Er kann jedes Detail in den Texten herausarbeiten. Es gibt in einem der Songs eine Textzeile: „Bleibe züchtig! Bleibe sittig!“ Wir haben fünfzehn Minuten über den Unterschied von züchtig und sittig gesprochen, und er konnte aus diesem Unterschied sofort einen Witz machen. Die Melodien dieser Songs begreift man schnell, aber der Witz beginnt dort, wo man die Worte wie Diamanten schleift. Jedes Wort hat eine Doppeldeutigkeit, die man herausarbeiten muss. Das ist Sprechgesang, und diese Kunst beherrschen sowohl Robert als auch Ruth perfekt.
JB: Steckt neben Humor auch Melancholie in diesen Stücken? Und wenn ja, wo kommt die her?
AB: Vielleicht ist die Melancholie etwas typisch Wienerisches. Oder auch etwas typisch Jüdisches. Wenn Fritzi fünf Mal singt: „Ich bin eine Frau, die weiß, was sie will“, dann werde ich skeptisch: Bist du das wirklich? Aus diesem Widerspruch entsteht Melancholie. Diese Figur belügt sich selbst, weiß es aber nicht. Am Ende spielen wir ein Lied, von Friedrich Hollaender eigens für Fritzi Massary komponiert: „Keiner weiß, wie ich bin, nur du.“ Da steht eine Sängerin auf der Bühne, glamourös, laut, aber niemand sieht den Schmerz. Das wird hoffentlich sehr berührend – und das ist Fritzi Massary eben auch.
JB: Mit welcher Emotion soll das Publikum am Ende nach Hause gehen?
AB: Jeder Mensch trägt Lebenslust in sich, Traurigkeit, Melancholie, Wut, Liebe, und noch viel mehr. Ein Theaterabend ist dann am besten, wenn auch alles in ihm drinnen streckt. Im Komödiantischen ein Moment des Schmerzes, und umgekehrt. Eine Aufführung soll Gefühle in uns wecken, die im Alltag oft verlorengehen. Wenn ein Ehepaar im Zuschauerraum die Zärtlichkeit wiederentdeckt – oder aber beschließt, sich zu trennen. Dann haben wir unsere Arbeit getan. Das ist eine wichtige Aufgabe in einer Zeit wie der unseren, wo alles verdrängt wird, daran zu erinnern, was uns Menschen ausmacht.