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Bewegung der Seele, Bewegung des Körpers

Jolanthe und der Nussknacker entsteht in enger Zusammenarbeit zwischen Regisseurin Lotte de Beer, Choreograph Andrey Kaydanovskiy und Dirigent Omer Meir Wellber. Wie haben sich die drei gegenseitig inspiriert?

Lotte de Beer

Aus der Oper Jolanthe habe ich in einem ersten Schritt jene Momente ausgewählt, an denen ich die Geschichte und die Oper aufbrechen wollte, um etwas von Jolanthes innerem Auge, ihrer Fantasie zu zeigen. Genau dieser Welt wollen wir mit Musik aus dem Nussknacker eine Stimme geben, sie in einer wortlosen Sprache darstellen, im Tanz.

Danach haben Omer und ich uns ans Klavier gesetzt, die Oper durchgespielt und während dieser offenen Stellen sagte er zu mir: „Erzähl mir, was in Jolanthes Kopf vorgeht, sprich weiter, sprich weiter.“

Er hat verschiedene Fragmente aus dem Nussknacker ausprobiert und die Übergänge zwischen Jolanthe und Nussknacker improvisiert. Diese Übergänge wurden von Keren Kagarlitsky, einer unserer neuen Hausdirigentinnen, ausgearbeitet.

Mit Andrey fand das Gespräch auf zwei Ebenen statt. Wir mussten die innere Geschichte in Bilder fassen: Was passiert in Jolanthes Kopf, was sieht sie und wie können wir das zeigen? Gleichzeitig sprachen wir aber auch über die Frage: Was ist die Kraft der Oper und was ist die Kraft des Tanzes? Wie stellen wir sicher, dass diese beiden Welten sich gegenseitig verstärken und sich nicht in die Quere kommen oder sich aufheben?


Omer Meir Wellber

Lotte und ich sind gemeinsam am Klavier gesessen und haben die beiden Stücke zusammengebaut, was uns erstaunlich leichtfiel. Es ging aus zwei Gründen so leicht: Der erste Grund ist ein Kompliment an Tschaikowski und der zweite ist ein Kompliment an uns.

Erstens: Tschaikowski war bereits ein erfahrener Komponist, als er diese beiden Stücke schrieb. Seine musikalische Sprache ist also klar und ausgeprägt. Die harmonische Sprache, die Tonalität, die Instrumentierung dieser Stücke sind sehr ähnlich, sie passen hervorragend zusammen.

Zweitens: Lotte hat den Mut, immer bei null anzufangen. Und ich selbst bin auch überhaupt nicht geprägt von nostalgischen oder gar romantischen Gefühlen. Auch nicht gegenüber Text oder Musik. Für mich ist nur die jeweilige Interpretation wichtig. Lotte und ich beginnen unsere Arbeit also immer an einem Punkt absoluter Freiheit.

Wir kennen die Geschichte, die wir erzählen wollen, wir wissen auch, wem wir sie erzählen, wir haben das Material, also folgen wir unserem Instinkt statt einem Dogma.

Wenn man mit dem richtigen Partner zusammenarbeitet, landet man nie bei etwas, das man nicht machen will.


Andrey Kaydanovskiy

Oper und Ballett, das sind zwei komplett unterschiedliche Dinge. Unterschiedliche Arten des Denkens. Im Ballett haben wir keine Worte, können viel abstrakter sein.

Das Tempo der Erzählung ist anders. Oper verwendet das Tempo aus der Zeit, als die Werke komponiert wurden. Aber heute ist das Tempo ein anderes.

Lotte ist keine Regisseurin der alten Schule, sie fügt der relativ einfachen Geschichte von Jolanthe Informationen hinzu, um das Innere der Story zu zeigen, die Vision von Jolanthe selbst. Lotte und ich suchen beide nach einem anderen Umgang mit dem Aspekt der Zeit im Theater.

Die Art und Weise, in der Omer die Musik zusammengestellt hat, ist sehr logisch. Nicht logisch im Sinne der Musikwissenschaft, sondern logisch im theatralischen Sinne, im Sinne des Spiels, des Fühlens und Timings. Eine freie Art des Denkens, das gefällt mir.