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Eintauchen in ein Bilderbuch

Für Regisseurin Lotte de Beer hat Die Zauberflöte viel mit Aufwachsen zu tun. Animierte Videos werden dem Publikum in ihrer Inszenierung den Weg in die Fantasiewelt eines jungen Menschen eröffnen. Aus diesem Anlass hat Dramaturg Peter te Nuyl Bühnenbildner Christof Hetzer und Videodesigner Roman Hansi zum Gespräch getroffen.

Premiere der Neuinszenierung ist am 14. September 2025!

Peter te Nuyl: In der neuen Zauberflöten-Inszenierung taucht das Publikum in die Fantasie eines jungen Menschen ein, wie kam die Idee auf, dafür Video als Element zu nutzen?

Christof Hetzer: Die Grundidee war, Malerei zu nutzen. Ein junger Bursch, der malt – und das Publikum taucht in diese gemalte Welt ein. Erst später kam die Idee auf, diese Malerei zu animieren, zu bewegen. Schon für die Aufführung Aristocats haben wir einen Weg gesucht, mittels Video das Entstehen eines Bildes zu zeigen, also so etwas wie einen Blick hinter die Leinwand zu werfen. Mitzuerleben, wie aus einer Idee ein Bild entsteht, wie eine unsichtbare Hand zu malen beginnt und daraus ein Szenenbild entsteht. Diese Idee führen wir in der Zauberflöte nun weiter, hier tauchen wir gemeinsam wirklich in diese animierte, gemalte Welt ein. 

Zeichnung zu Die Zauberflöte

PtN: Welche Idee stand am Beginn? Die Idee, den jungen Bursch zum Schöpfer der Handlung zu machen? Oder die, das Element Video für Storytelling stärker einzusetzen?

CH: Beide Ideen entstanden gleichzeitig. Das ist immer so mit Lotte, wir sitzen zusammen und sprechen über das Stück. Und jeder will seine Idee erzählen – und dann kommt man drauf, dass man eigentlich in die gleiche Richtung denkt, dramaturgisch und visuell!

PtN: Die visuelle Welt, die entsteht, gehört zur Zauberflöte. Sie wäre für kein anderes Stück denkbar, oder?

CH: Nein, am Beginn stand die Figur dieses jungen Menschen, der versucht, sein Erlebtes zu bewältigen, indem er es zu Papier bringt, aufmalt. Aus dieser Idee ist die gesamte visuelle Welt entsprungen.

PtN: Wie habt ihr dann entschieden, wie diese visuelle Welt aussieht, wie die Ästhetik sein wird?

Roman Hansi: Wir haben verschiedene Stile ausprobiert, unterschiedliche Arten und Weisen, zu malen. Die einzelnen Elemente sollen ästhetisch ansprechend sein, gleichzeitig sollen sie etwas Kindliches behalten. 

PtN: Jetzt könnte man bei dem Gesagten auch an einen animierten Film denken. Was wir machen, ist aber eine Theateraufführung. Wie kann man sich das Zusammenwirken von Bühne und Video vorstellen?

CH: Wir arbeiten auf eine Aufführung hin, in der diese Grenzen sich auflösen. Man schlägt ein Bilderbuch auf und taucht in diese Welt ein. Es gibt keinen Unterschied zwischen Schauspiel, Musik, Bühne, Video – es entsteht eine einheitliche Welt. Das wäre das ideale Ergebnis!

RH: Wir nähern uns diesem Ergebnis auch auf zweierlei Wegen. So werden etwa die Kostüme wie gemalt aussehen, gleichzeitig filmen wir für die Animationen die Darsteller:innen und übertragen ihre Bewegungen auf die gezeichneten Figuren.

PtN: Wäre das auch vor fünf Jahren schon möglich gewesen? Oder ermöglichen erst neue Techniken das Erschaffen dieser visuellen Welt?

CH: Es wäre schon möglich gewesen, nur mit erheblich mehr Aufwand! Jetzt können wir es für eine Aufführung wie die unsere schaffen, früher hätte man dafür vermutlich tausende einzelne Zeichnungen benötigt.

RH: Sowohl bei der Entstehung der visuellen Welten als auch bei der Bühnentechniken gibt es inzwischen neue Möglichkeiten, die uns eine wirkliche Verschränkung von Projektion und Bühnenmaschinerie erlauben, das haben wir in den letzten Jahren schon einen großen Schritt nach vorne gemacht.

PtN: Das klingt alles hoch technisch.

CH: Die Kunst ist eben, dass es am Ende nicht nach Technik aussieht, sondern nach Poesie!

RH: Und gleichzeitig hilft uns auch hier wieder die Technik. Neue virtuelle Studiooptionen ermöglichen uns, schnell zu sehen, wie etwas auf der Bühne aussehen wird – und ob es den gewünschten Effekt erzielt.

Zeichnung zu Die Zauberflöte

 PtN: Es braucht aber schon noch Live-Sänger:innen auf der Bühne?!

CH: Unbedingt! In diesem Aufeinandertreffen liegt genau das Faszinierende! Die Musik von Mozart ist hoch theatral, er hatte beinahe eine Besessenheit, theatrale Effekte in seiner Musik zu finden und zu erfinden. Das nun mit High-Teck zu verbinden, die beiden Welten sich gegenseitig befruchten zu lassen, das finde ich spannend.

PtN: Und du, Christof, zeichnest auch tatsächlich noch selbst ganz analog.

CH: Genau, ich zeichne sehr viel physisch. Die Kunst ist, der Maschine beizubringen, dass es am Ende wie von einem Menschen gemalt aussieht. Wobei ich glaube, dass man sehr genau erkennt, was menschlich gezeichnet wurde, und was nicht. Das ist das menschliche Elemente, das kann KI etwa noch nicht.

PtN: Wenn das Imperfekte das menschliche Elemente ist: Wo findest du das bei Mozart und Schikaneder?

CH: Ich nehme an, die Frage ist nicht musikwissenschaftlich gemeint! Lass‘ mich um die Ecke antworten: Manchmal ist es auch bei großen Komponisten wie Mozart spannend, die Musik zu hören, die nicht zu den größten Hits gehört. Dort kann man oft der musikalischen Idee beim Entstehen zuhören. Wenn man nach Mozart dann etwa Gluck hört – auch dann kann man miterleben, wie eine musikalische Idee entsteht, wie sie sich weiterentwickelt, und wie sie schließlich an einen Punkt gelangt, an dem etwas Neues entstehen muss.

PtN: Eine Frage zur Probenarbeit an der Zauberflöte. Schränkt die visuelle Erzählweise hier ein, weil man für die Videos viel im Voraus entscheiden muss?

CH: Die Arbeit verändert sich. Wir verlangen natürlich viel von den Darstellerinnen und Darstellern. Sie müssen sich sehr lange sehr viel vorstellen, weil die Videos noch nicht da sind. Und gleichzeitig ist dann plötzlich an einem Moment sehr viel da – wenn die visuelle Welt dazukommt. Das Ensemble darf aber sehr frei spielen, die Videos sind nicht kleinteilig, lassen viele Freiheiten auf der Bühne.

PtN: In der Aufführung wird das Skizzenbuch eines vierzehnjährigen Jungen lebendig. Habt ihr euch dafür an eure eigene Kindheit und Jugendzeit erinnert?

RH: Nicht bewusst. Ich habe aber selbst zwei Kinder, und ich finde es spannend zu beobachten in welcher Phase des Aufwachsens man welche malerischen Welten erfindet. Mein Jüngster etwa malt gerade nur blau, er ist quasi in seiner blauen Phase! Mein Ältester malt hauptsächlich Autos. Spannend, wie sich diese Bildwelten entwickeln.

CH: Ich erinnere mich vor allem daran, wie es war, als junger Mensch malerische Effekte zu entdecken. Wenn man zu Malen beginnt, sind diese Effekte enorm wichtig. Ich habe etwa einmal festgestellt, dass ich Schraffuren, Schatten und Falten gut zeichnen kann – und habe dann eine Zeit lang dauernd Zerknittertes gemalt. Wir haben in der Arbeit an der Zauberflöte oft gedacht, wir müssen darauf achten, dass es nicht zu gekonnt aussieht, immerhin malt ein junger Bursch. Aber warum soll der nicht zu guten Effekten kommen und diese einsetzen? In diese Alter saugt man die Welt auf wie einen Schwamm, probiert verschiedene Stile, das befreit beim Finden der visuellen Welt enorm.

PtN: Siehst du dir oft Zeichnungen von dir von früher an?

CH: Ja, und dann entdecke ich, dass mich eigentlich noch die gleichen Dinge interessieren, dass ich tief drinnen noch dieselbe Person bin.