Was hat Sie dazu inspiriert, drei Liederzyklen für Ihre Ligeti Essays zu choreographieren?
Ligeti ist einer größten Komponisten nach dem 2. Weltkrieg, vielleicht sogar der Größte. Es ist wundervoll, dass er in seinen Werken so viel Raum lässt, aber die ausgewählten Lieder vermitteln auch verschiedene Seelenzustände. Manche sind komisch, andere sind aggressiv, dann romantisch, lyrisch, einige sind fast pervers. Es handelt sich um pure Musik, die den Reichtum des Menschsein in verschiedener Art und Weise einfängt. Die Balance zwischen Abstraktion und der Entdeckung unterschiedlicher Gemütszustände hat mich inspiriert.
Wie gestaltet sich die choreographische Struktur der Ligeti Essays?
In der Choreographie gibt es verschiedene Charaktere, die mal allein, mal zusammen sind. Ich habe eine Varianz an Soli, Duetten und Quartetten geschaffen, da mir der Kontrast wichtig war. Das ist die größere äußere Struktur. Innerhalb dieser ging es mir um das Etablieren eines anderen Denkens über den Tanz und über die Geometrie des Tanzes. Im Tanz ist meist die euklidische Geometrie vorherrschend. In meinem Werk steht eher die fraktale Geometrie im Zentrum. Die Formen sind natürlicher, es gibt Kurven in den Bewegungen, die auf einer linearen Ebene fließen. Das kreiert nicht nur visuell, sondern auch im philosophischen Sinne einen anderen Look. Mir ist der Weg wichtiger als die Position. Das ist auch ein neues Denken für die Tänzer:innen, da wir stets darin gelehrt werden, Positionen einzunehmen. Ich war inspiriert von der japanischen Kalligraphie. Die Musik und der Tanz in den Ligeti Essays sind wie kleine Haikus. Sehr dicht und sehr kurz wie winzige Universen.
In der Volksoper zeigen Sie die Ligeti Essays zum ersten Mal mit Livemusik.
Die Qualität des Orchesters und der Solist:innen ist phänomenal. Christoph Altstaedt ist ein großartiger Dirigent, der sehr engagiert und verständnisvoll ist. Ligetis Kompositionen sind nicht nur eine komplexe Musik, sondern die Choreographie ist sehr spezifisch gearbeitet, sie reagiert auf den exakten Klang der Stimmen, auf die Atmung … Es ist eine große Herausforderung für das musikalische Ensemble. Livemusik für den Tanz ist immer großartig, aber es braucht Kollaborateure, die wirklich gemeinsam an einem Projekt arbeiten wollen und die aufeinander hören.
Das vollständige Interview finden Sie im Programmheft zur Produktion.