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Relevante Themen, heute, vor zwanzig und vor zweitausend Jahren

Dramaturg Antonio Cuenca Ruiz im Gespräch mit Regisseurin Lisenka Heijboer Castañón und Choreograph Miguel Alejandro Castillo


Wer ist diese „andere Maria“ im Titel?

Lisenka Heijboer Castañón: Der Titel bezieht sich auf Maria von Bethanien. Indem wir ihren Blickwinkel einnehmen, wollen wir das Evangelium aus dem Mythos herauslösen und uns die Frage stellen, wie wir es schaffen, Liebe und Fürsorge in unserem täglichen Umgang miteinander praktizieren zu können.

Miguel Alejandro Castillo: Während meiner Recherche fand ich heraus, dass vor kurzem ein Text wiederaufgetaucht ist, nach dem Maria eine Schülerin von Jesus gewesen sein könnte. Aus dem gnostischen Evangelium der Maria habe ich mir notiert: „Sei in Harmonie ... Wenn du aus dem Gleichgewicht bist, lass dich von den Ausprägungen deiner wahren Natur inspirieren.“ Wenn ich das lese, finde ich nichts von Sünde oder Schuld. Ich lese, dass der Kontakt mit der eigenen Natur zu Harmonie führt. Das Stück zeigt ein frühes Verständnis von Christentum, bevor es im Römischen Reich patriarchalisiert und die Rolle der Frauen in dieser Religion ausradiert wurde.

Tatsächlich gibt es im Stück nur wenige Verweise auf die Evangelien. Der Rest basiert auf diversen Quellen, von der Autobiografie Dorothy Days bis zu Gedichten des südamerikanischen Schriftstellerin Rosario Castellanos, von June Jordan bis zu anderen Texten.

Lisenka Heijboer Castañón: Im Stück kommen unterschiedliche Stimmen aus unterschiedlichen Zeiten und Orten zu Wort. Wir wollen jedoch schauen, dass wir nicht an sehr spezifischen Bezügen klebenbleiben, sondern sehen, was diese Texte eint. Die Autorinnen etwa waren alle kreative Denkerinnen, die sich für ihre Gemeinschaft einsetzten. Die Schriftstellerinnen, die im Libretto vorkommen, verbinden schöne und freudvolle Dinge mit harten, düsteren Gefühlen. Gleichzeitig feiern wir die Vielfalt des Materials und akzeptieren, dass viele Blickwinkel gleichzeitig da sind, dass es nie nur einen Standpunkt geben kann.

Miguel Alejandro Castillo: Während des Choreographierens habe ich mich mit den Tänzer:innen unterhalten und sie gebeten, über die Frauen zu recherchieren, die in diesem Stück vorkommen. Alle haben jeweils eine eigene biografische Studie erstellt, und auf dieser Grundlage haben wir Bewegungen und Phrasen entwickelt. Die Welt, in der das Stück spielt, wirkt sehr zeitgenössisch. Die Figuren erwähnen Drogensucht, Frauen- und Einwandererrechte.

Welche Relevanz haben dieses Werk und seine Themen heute?

Lisenka Heijboer Castañón: Das Stück zeigt, dass diese Themen heute genauso relevant sind wie vor zwanzig, fünfzig oder zweitausend Jahren. Es ist interessant, dass wir diese Themen für zeitgemäß halten. Leider ist daran nichts zeitgemäß. Drogensucht ist keine neue Sache. Frauen, die für ihre Rechte kämpfen, sind keine neue Sache. Indem wir die Themen, die uns so zeitgenössisch vorkommen, wieder in einen historischen Kontext bringen, sehen wir, wie Menschen immer schon für ihre Rechte gekämpft haben, und warum wir das oft übersehen. Wir kehren die Antwort also quasi um.