Eine Komödie über Sex und Macht: Am 24. Mai 2025 feiert Lotte de Beers Inszenierung von Mozarts Le nozze di Figaro Premiere an der Volksoper. Die für das Festival d’Aix-en-Provence 2021 kreierte Produktion beleuchtet die Themen Sex und Macht aus der Sicht unterschiedlicher Figuren, und präsentiert die vier Akte der Oper jeweils aus einem anderen Blickwinkel: Graf, Susanna, Gräfin und Barbarina und Marcellina. Unter der Musikalischen Leitung von Omer Meir Wellber, der die Vorstellung vom Hammerflügel aus dirigiert, stehen Michael Arivony als Figaro, Lauren Urquhart als Susanna und Annelie Sophie Müller als Cherubino auf der Bühne. Matilda Sterby und Daniel Schmutzhard schlüpfen in die Rolle der Gräfin und des Grafen, Barbarina und Marcellina werden gesungen von Jaye Simmons und Ulrike Steinsky.
LE NOZZE DI FIGARO IM MAI 1786 - 1945 - 2025
Beaumarchais’ Stück Der tolle Tag oder Die Hochzeit des Figaro wurde wegen seiner scharfen politischen Anspielungen in Wien verboten: Kaiser Joseph II. hatte erklärt, das Stück enthalte zu viel Anstößiges. Nichtsdestotrotz bat Mozart Lorenzo Da Ponte, das Stück in ein Libretto zu verwandeln. Da Ponte übernahm zentrale gesellschaftskritische Elemente, milderte jedoch zahlreiche Passagen ab, die für die Zensur problematisch waren. So gelang es, die offizielle Genehmigung des Kaisers für die Opernfassung zu erhalten. Die Uraufführung von Le nozze di Figaro fand am 1. Mai 1786 im Burgtheater in Wien statt, es war die erste von drei Kooperationen zwischen Mozart und Da Ponte, gefolgt von Don Giovanni und Così fan tutte.
An der Volksoper wurde Le nozze di Figaro seit1905 meist unter dem deutschen Titel Die Hochzeit des Figaro 365 Mal in sechs verschiedenen Inszenierungen aufgeführt. Zeitgeschichtlich besonders interessant: Am 1. Mai 1945 fand in der Wiener Volksoper auf Befehl des Russischen Stadtkommandanten eine Aufführung von Mozarts Oper Die Hochzeit des Figaro statt. Diese erste Vorstellung nach dem Zusammenbruch des NS-Terrorregimes in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges war ein symbolischer Akt des Neubeginns in einer Zeit der Zerstörung und ist ein Beleg für die identitätsstiftende Bedeutung der Kunstform Oper in der jüngeren österreichischen Geschichte. Rund 80 Jahre später feiert nun die siebte Inszenierung dieses Meisterwerks Premiere – in der Regie von Direktorin Lotte de Beer.
Figaro, der Diener des Grafen, hat sich mit Susanna, der Kammerzofe der Gräfin, verlobt. Susanna wird jedoch vom Grafen gestalkt. Die Gräfin leidet unter der Untreue ihres Mannes. Figaro heckt einen Plan aus, den Grafen in seine Schranken zu weisen. Nach einem „tollen Tag“ (so der Titel des Beaumarchais-Stücks) voller Verkleidungen, Missverständnisse und anderer komischer Verwicklungen, bekommt Figaro seine Susanna, und dem Grafen bleibt nichts anderes übrig, als sich bei der Gräfin zu entschuldigen.
Lotte de Beer und ihr Team kreierten die Produktion von Le nozze di Figaro für das Festival d’Aix-en-Provence 2021 unter der künstlerischen Leitung von Pierre Audi. Der französisch-libanesischer Theaterregisseur, der das Festival seit 2018 leitete, verstarb Anfang Mai völlig überraschend. Diese Inszenierung von Le nozze di Figaro wird nun für die Bühne, das Ensemble und das Publikum der Volksoper neu interpretiert.
Lotte de Beer zu ihrer Inszenierung: "Im ersten Akt sehen wir die Welt durch die Augen des Grafen: Für ihn ist die Jagd auf junge Bedienstete ein spitzbübischer Spaß. Einen jungen Burschen in den Krieg zu schicken, ist ein schlauer und amüsanter Weg, seine Konkurrenz auf dem Flirtmarkt loszuwerden. Im zweiten Akt sehen wir die Welt aus der Sicht von Susanna. Sie ist eine Frau aus der Arbeiterklasse, die verzweifelt versucht, diesen verrückten Haushalt sauber und ordentlich zu halten. Sie muss sich mit einem grenzüberschreitenden Chef herumschlagen, einen übersexualisierten Teenager in Schach halten, eine depressive Chefin bedienen und mit einem naiven Verlobten zurechtkommen.
Den dritten Akt erleben wir aus der Perspektive der Gräfin. Sie hat die Hoffnung aufgegeben. Der Nihilismus hat sie überwältigt. Selbst als ihr Mann offen mit seinem grenzüberschreitenden Verhalten konfrontiert wird, ändert er sich nicht: Die Gräfin sieht immer noch, wie er Mädchen gegen die Wand drückt und Susanna heimlich einen Zettel zusteckt.
Im vierten Akt sehen wir die Perspektive der jungen Barbarina: Während die Erwachsenen weiter ein zynisches Versteckspiel veranstalten, suchen Barbarina und Cherubino nach einem besseren Weg, mit dem Kampf der Geschlechter umzugehen, die Karten in diesem Spiel um Sex und Macht neu zu mischen und eine utopische Zukunft zu erschaffen."
Omer Meir Wellber zur Musik: "Wenn ich auf dem Hammerklavier spiele, bin ich viel offener für das, was auf der Bühne geschieht. Ich reagiere direkt auf das Geschehen und lasse mich davon leiten. Lotte und ich haben bereits in den Proben beschlossen, an verschiedenen Stellen zu improvisieren – mal hier, mal dort. Die Zusammenarbeit mit der Regie ist dadurch viel intensiver und unmittelbarer, weil ich flexibler bin, jederzeit etwas verändern kann. Auch mit den Sängerinnen und Sängern arbeite ich so, dass sie offen für spontane Änderungen sind.
Das ist für mich das Herzstück, die musikalische Grundidee dieser Produktion: Wenn jemand zwei Vorstellungen besucht, wird er nie dieselbe Aufführung erleben. Diese Freiheit erlaubt uns Mozart – insbesondere in den Rezitativen, aber auch generell durch die Offenheit, die er seiner Musik mitgibt."